Anwendungsbereich des Gesetzes
Das Lieferkettengesetz findet ab dem 1. Januar 2023 Anwendung auf international operierende Unternehmen mit einer Personalstärke von 3.000 (Mitarbeiter in Deutschland) bzw. ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit 1.000 Arbeitnehmern. Betroffen sind demnach im Wesentlichen große Konzernunternehmen oder große Mittelstandsunternehmen. Vielfach wird daher die Auffassung vertreten, dass sog. KMU von dem aktuellen Lieferkettengesetz aktuell kaum betroffen sein werden. Das ist aber eine grundlegend falsche Annahme, die auch irreführend ist. Denn: die von dem Gesetz betroffenen Unternehmen müssen ihrerseits sicherstellen, dass sich auch ihre eigenen – direkten und indirekten – Zulieferer an die gesetzlichen Vorschriften halten. Und das werden die von dem Lieferkettengesetz betroffenen Unternehmen künftig wie auch in anderen gesetzlichen Bereichen über Einkaufsbedingungen und AGB regeln. Insofern ist ausdrücklich davor zu warnen, die Anwendbarkeit des Lieferkettengesetzes wegen der Bezugnahme auf gewisse Personalgrößen eines Unternehmens auszuschließen. Auch Unternehmen mit 50 oder 100 Mitarbeitern werden von dem Lieferkettengesetz betroffen sein, wenn sie ihrerseits beispielsweise Zulieferer eines größeren Unternehmens sind.
Beachtenswert ist im Übrigen mit Blick auf den Anwendungsbereich des Gesetzes, dass innerhalb von verbundenen Unternehmen gemäß § 15 des Aktiengesetzes die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer sämtlicher (!) konzernangehöriger Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft zu berücksichtigen.
Zielsetzung
Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz werden den betroffenen Unternehmen umfangreiche Pflichten zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in der Lieferkette auferlegt. Damit werden zugleich international geltende Standards zum Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie zur Einhaltung der Menschenrechte eingeführt, die ab dem jeweiligen Inkrafttreten zu beachten sind. Dabei sollen alle an einem Produkt beteiligten Menschen unter akzeptablen, allgemein anerkannten ethischen und wirtschaftlichen Standards an der Wertschöpfung partizipieren können.
Reichweite der Verantwortung für die Lieferkette
Grundsätzlich bezieht sich das LkSG alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens ein. Darüber hinaus werden alle Schritte im In- und Ausland erfasst, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden (§ 2 Abs. 5 S. 2 LkSG), also das, was nach den üblichen betrieblichen Abläufe in der gesamten Lieferkette entspricht. Die gesetzlich festgelegten Sorgfaltspflichten gelten überwiegend für das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich und für das Handeln unmittelbarer Zulieferer (§ 2 Abs. 5 S. 2 Nr. 1, 2 LkSG). Unter gewissen gesetzlichen Voraussetzungen wird aber auch das Handeln mittelbarer Zulieferer berücksichtigt.
Die Verantwortung für Zuliefererbetriebe erstreckt sich auf die direkten Lieferanten, eine Haftung ist allerdings auch für mittelbare Zulieferer denkbar. Vollumfängliche Sorgfaltspflichten wurden den Unternehmen lediglich auf den eigenen Geschäftsbereich und die direkten Partner eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen auferlegt (§ 2 Abs. 7,8 i.V.m. § 7 Abs.1 LkSG).
Die Verantwortlichkeit im Hinblick auf mittelbare Zulieferer, d.h. tiefere Glieder der Lieferkette, wird erst dann begründet, sobald Unternehmen substantiierte Kenntnis von Verstößen erlangen. Im Ergebnis wurde somit eine abgestufte Unternehmensverantwortung nach dem Grad der Einflussmöglichkeit eingeführt.
Pflichten nach dem Lieferkettengesetz
Das Lieferkettengesetz begründet Handlungs- und Sorgfaltspflichten für die betroffenen Unternehmen. Jedoch enthält das Gesetz keine Erfolgspflicht. Allein die Handlungspflicht bedeutet allerdings, dass in den vom Anwendungsbereich erfassten Unternehmen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Menschenrechtsverstöße in der jeweiligen Lieferkette auszuschließen. Dafür reicht es nicht, eine Bestätigung des entsprechenden Zulieferers entgegenzunehmen, mit der dieser versichert, dass in seinem Unternehmen Menschenrechtsverstöße nicht geduldet werden. Vielmehr muss das von dem LkSG verpflichtete Unternehmen nachweisen, alles dafür getan zu haben, um menschenrechtsbezogene Risiken in der Lieferkette zu verhindern. Letztlich wird es eine Frage der Angemessenheit und damit der künftigen Standards von Unternehmen sein, zu beurteilen, ob und inwieweit alles Erforderliche getan veranlasst wurde, um Menschenrechtsverstöße zu vermeiden.
Einzelheiten dazu, welche Sorgfaltspflichten das Lieferkettengesetz vorsieht, enthalten die §§ 4 bis 10 LkSG. Die Pflichten reichen von der Einrichtung eines entsprechenden Risikomanagementsystems bis hin zur Dokumentation und Berichterstattung im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten. Damit müssen die betroffenen Unternehmen erhebliche
Organisations-, Prüfungs-, Handlungs- sowie Dokumentations- und Berichtspflichten umsetzen. Das Lieferkettengesetz legt den Unternehmen eine erweiterte Compliance-Pflicht auf. Geschäftsleitung und Compliance-Beauftragten müssen bestehende Compliance-Management-Systeme im Hinblick auf die neuen Anforderungen im Sinne einer verantwortungsvollen Unternehmensführung ergänzen sowie die vertraglichen Vereinbarungen mit den Lieferanten an die neuen Vorgaben anzupassen. Wenn Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette festgestellt werden, müssen diese beendet werden.
Geschützte Rechtspositionen
Das Lieferkettengesetz schützt vor potenziellen oder tatsächlich nachteiligen Auswirkungen auf geschützte Rechtsgüter. Die Breite der geschützten Rechtspositionen ist uferlos und umfasst neben elementaren Menschenrechten auch staatsgerichtete Rechtspositionen. Das Gesetz verweist in diesem Zusammenhang in § 2 LkSG auf die in den Nummern 1 bis 11 der Anlage aufgelisteten Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte. Diese umfassen, neben einem Schwerpunkt im Arbeitsschutz, auch zwischenstaatliche Übereinkommen zu bürgerlichen und politischen Rechten. Eine Eingrenzung erfolgt in § 2 Abs. 2 LkSG, wo ein Fokus des Gesetzgebers auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kommt. Namentlich werden als mögliche Verstöße gegen das Lieferkettengesetz u.a. genannt:
- Verbot der Beschäftigung von Kindern unter dem zulässigen Mindestalter;
- Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren (Sklaverei, Prostitution u. ä.);
- Verbot der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit;
- Verbot aller Formen der Sklaverei und sklavenähnlicher Praktiken;
- Vorenthalten eines angemessenen Lohns;
- Verbot der Missachtung der nach dem anwendbaren nationalen Recht geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes;
- Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit;
Verstöße gegen das Lieferkettengesetz sowie dessen Kontrolle
Durch das Gesetz wird keine zivilrechtliche Haftung des betroffenen Unternehmens eingeführt. Kunden eines produzierenden Unternehmens, welches gegen das LkSG verstößt, können demgemäß keine zivilrechtlichen Haftungsansprüche geltend machen, es sei denn, die Vertragsparteien haben Gleichlautendes individual-vertraglich oder durch AGB vereinbart. Zur Kontrolle und Durchsetzung des Gesetzes wird eine Kontrollstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle etabliert. Bei Nichtumsetzung der Sorgfaltspflichten besteht die Gefahr der Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren. Gerade aufgrund des mit den vielfältigen Reporting-Pflichten auch stark formalisierten Verfahrens ist anzunehmen, dass eine verspätete oder lückenhafte Umsetzung Bußgeldverfahren nach sich ziehen werden. Der Bußgeldrahmen ist gesetzlich wie folgt festgelegt worden:
Geldbuße bis zu 800.000 Euro (§ 24 Abs. 1 LkSG),
bei Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz bis zu zwei Prozent des weltweiten Umsatzes als Strafe (§ 24 Abs. 3 LkSG),
bis zu drei Jahre Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, wenn eine Geldbuße von mindestens 175.000 Euro auferlegt wurde (§ 22 LkSG).
Europäisches Recht
Das Lieferkettengesetz (LkSG) geht auf eine nationale, deutsche Initiative zurück und gilt auch nur für deutsche Unternehmen. Es ist allerdings sicher zu erwarten, dass auch seitens der Europäischen Union eine entsprechende, europaweite Regelung eingeführt wird. Der Entwurf einer entsprechenden Richtlinie ist bereits in Vorbereitung. Es ist damit zu rechnen, dass die EU-Richtlinie gegenüber dem deutschen Recht eher zu Verschärfungen führen wird. Insbesondere sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch KMU einbezogen werden.